160 000 Kilometer und er schwenkt und schwenkt und schwenkt...

Wie aus einem Gespann-Fahrer ein Schwenker-Fahrer wurde

Im Sommer 1987 kaufte ich eine Moto Guzzi Mille GT aus der ersten Serie. Nach vier Monaten Solisten-Dasein und rund 7500 Kilometern auf dem Tacho befiel mich der Gespann-Virus, der später zum Ausbruch der „Schwenker-Krankheit" führte.

Von Peter Lentl

hier stellt sich
Schwenker-Peter
vor.
Auf dem Bild links noch mit seinem alten 200.000 km gelaufenen Gespann.

Auf dem Bild rechts seht Ihr die aktuelle V11 Rosso Mandello mit ARMEC Schwenker bereit.

Die Fa. Carell in Flörsheim baute einen Seitenwagen TR 500 Boot N4 an meine Guzzi. Drei Jahre, beziehungsweise 65 000 km später war ich es leid, das Transportfahrzeug meiner mitfahrenden Freunde zu sein - nach dem Motto, du hast ja Platz, hier meine Regenkombi, meine Fotoausrüstung etc. Weiter vermisste ich die Schräglagen und den Topspeed.

Der Graben war nah

Beim Moto Guzzi-Treffen in Thal sah ich zum ersten Mal einen ARMEC-Schwenker. Nach langer, ausführlicher Beschreibung des Fahrgefühls durch den Eigner bin ich zu Jochen Jürgensen (ARMEC-Importeur Deutschland Süd) gefahren und habe mich von ihm beraten lassen. Dem Gespräch folgte eine kurze Probefahrt (etwa zwei Kilometer), die schier im Graben endete. Doch es hatte mich gepackt: Im Frühjahr 1991 war des endlich soweit, mein Schwenker war fertig gebaut und hatte TÜV.

Bei der ersten größeren Tour mit Freunden (mit leerem Seitenwagen) wurde wiederum eine Rechtskurve zum Schlüsselerlebnis. Ich hatte wieder am Lenker gezogen und dabei fuhr der Schwenker in den Graben. Zum großen Glück kam kein Gegenverkehr in diesem Moment, so dass der Schaden nur materiell war. Ab diesem Moment war der Kopf frei und die Freude am Schwenkerfahren wuchs von Kilometer zu Kilometer.

Ähnlich wie Solo

Überall ähnliche Erlebnisse und Fragen der Leute. Die am häufigsten gestellte Frage ist, wie sich so ein Gefährt wohl fährt? Nun, der Schwenker lässt sich ähnlich wie ein Solomotorrad fahren. Lastwechselreaktionen sind natürlich spürbar und beim Anfahren muss, wie beim starren Gespann auch, mehr Muskelkraft eingesetzt werden. Meiner Meinung und Erfahrung nach kann jeder, der noch nie ein Gespann gefahren ist, wesentlich schneller einen Schwenker erfahren, als jemand, der durch ein Gespann vorbelastet ist. Vor allem aber hat man(n)/frau mit einem Schwenker gleich drei Motorräder in einem.

Innerhalb weniger Minuten wird ein Schwenker durch Abschrauben zweier Haltebolzen und Abkopplung der Brems- und Stromleitung zum Solomotorrad. Durch das Anbringen zweier Verbindungsstreben wird der Schwenker genauso schnell zum starren Gespann. Hierbei muss gesagt werden, dass dieser Umbau jedoch nur eine kurzzeitige Veränderung darstellt, da das Motorrad mit Motorradreifen bestückt ist und die Seriengabel auf Dauer überlastet wird.

Die Kurvengeschwindigkeiten sind enorm. Dort, wo der Solofahrer Gas wegnimmt, steht bei mir der Gashahn immer noch offen, dann kurz bremsen, umwerfen, und mit Vollgas durch die Kurve driften.

In Österreich wurde ich von der Polizei regelrecht verfolgt und angehalten. Die übereifrigen Gesetzeshüter waren der Meinung, dass mein Schwenker lebensgefährlich, weil defekt sei. Die beiden fehlenden Streben zwischen Motorrad und Seitenwagen würden fehlen, und überhaupt könne man so nicht fahren. Nach dem Vorlegen meiner umfangreichen (zwei Kfz-Scheine) Papiere und Vorführen sämtlicher Schräglagen sowie Fahrdemonstration des Schwenkers durfte ich meine Reise fortsetzen.

Oder die Geschichte in Italien, als zwei Radfahrer mir so erstaunt nachguckten, dass sie dabei nicht mehr auf die Straße sahen und dabei in den Graben fuhren. Im Laufe der letzten 100 000 Schwenker-Kilometer könnte ich über die Erlebnisse wirklich ein ganzes Buch schreiben.

Kleinere Veränderungen an der durchdachten, soliden Konstruktion und Bauart aus dem Hause ARMEC führten auf Grund meiner langjährigen Schwenkererfahrung für mich zu noch mehr Fahrspaß. Der von Firma Moto Spezial, mit Firmensitz in Gomadingen auf der Schwäbischen Alb, getunte und optimierte Motor, in Verbindung mit umfangreichen Detailverbesserungen an der gesamten Maschine, sorgten für die richtige Power und Zuverlässigkeit auf den letzten 100 000 Kilometer. Diese Investitionen haben sich wirklich gelohnt.

Schöne Treffen

Der Austausch mit Gleichgesinnten war der Anstoß für das erste Schwenkertreffen 1992, das von mir in Schmirn/Österreich organisiert wurde. Trotz äußerst schlechtem Wetter trafen etwa 25 Gespanne ein. Der Erfolg und die Begeisterung der Teilnehmer, insbesondere der Familie Aregger, veranlassten mich, das zweite Treffen im Jahr darauf in Schopfloch auf der Schwäbischen Alb, zu veranstalten. Diesmal wurden bereits 60 Gespanne gezählt.

Zum 10 Jahr-Firmenjubiläum lud 1994 ARMEC zum Gotthardtreffen ein. Über 150 Gespanne kamen, nicht mitgezählt, die vielen persönlichen Freunde auf ihren Solomaschinen. Durch die sehr positive und profihafte Organisation, und vor allem durch die positive Resonanz der Teilnehmer bestärkt, findet nun jedes zweite Jahr ein ARMEC-Treffen statt.

Auf diesem Wege möchte ich mich bei den Familien Aregger herzlich bedanken, dass sie sich trotz permanenter Weiterentwicklung der ARMEC-Fahrzeuge und Zubehör sowie der Entwicklung von Neugespannen für uns Gespannfahrer die Zeit nehmen, diese schönen Familientreffen zu organisieren. Und so hoffe ich, dass wir uns auch 1998 gesund und immer noch schwenkend wiedersehen.


Aktueller Kilometer-Stand: 175 000, und die Guzzi schwenkt und schwenkt....

Dies war die Geschichte Stand 1997.

In den vergangenen Jahren hat sich bei mir etliches verändert. Ich habe im Juni 2001 meinen Schwenker komplett verkauft. Km-Stand ca. 200.000. Im Januar 2001 habe ich eine neue Moto Guzzi V11 Rosso Mandello aus Italien importiert. Dies ist aber eine Geschichte für sich.

Ich war der Meinung, wenn ich mit meinen Solo-Freunden unterwegs bin, benütze ich meine Rosso und wenn meine Frau mit mir mitfährt, fahre ich mein Schwenker-Gespann. Nach kürzester Zeit musste ich aber leider feststellen, dass mir das Solo-Fahren ohne Seitenwagen nicht den Spaß bringt, den ich erwartet habe. Also was tun? Das Bankkonto war durch den Neukauf der Rosso ziemlich geplündert. Aber von Luigi (Schwenker-Gespann) trennen? Auf Drängen meiner Frau habe ich dann doch eine Anzeige aufgegeben. Und leider war die Resonanz überwältigend, so dass ich mich schweren Herzens von meinem Luigi getrennt habe, mit dem Hoffnungsschimmer, schnellstmöglich wieder einen Armec-Schwenker anzubauen. Nach ca. 7000 glücklosen Solo-Kilometern brachte ich meine Rosse zum weltbesten Moto Guzzi-Händler, Jochen Jürgenssen, nach Feldkrichen, Westerheim, der nach meinen Wünschen (abgeänderter Rahmen, höherverlegte Auspuffanlage, Anschlaggummi versetzt etc. etc.) bis zum Frühjahr 2002 den Umbau vornahm. Seit dieser Zeit sind meine Frau und ich wieder schwenkermässig unterwegs. Der Unterschied zwischen Luigi 1 und Luigi 2 ist so gravierend, wie schwarz und weiß. Das Motorrad hat Leistung ohne Ende und es macht mir allergrößten Spaß, den Solofahrern ihre Grenzen aufzuzeigen. In diesem Winter habe ich mich entschlossen, rechts mehr Schräglage zu erreichen. Dies geschah durch Anbringung einer Delle an der linken Seitenwand des Seitenwagens, so dass der Lenker in Rechtsschräglage regelrecht ein Stück in den Seitenwagen eintaucht, denn Schräglage ist durch Nichts zu ersetzen. Durch einen glücklichen Zufall wurde ich in der Zeitschrift Motorrad-Gespanne über ein alljärlich stattfindendes Schwenkertreffen aufmerksam. Ich freue mich nun auf das Treffen in 2003. Man sieht sich.

Schwenker-Peter